Der Atomausstieg ist in Deutschland zwar vollzogen, doch beendet ist die Debatte um die Kernenergie damit noch nicht – zumindest aus Sicht einiger führender Politiker aus der FDP und CDU. Und auch ein Blick über die Landesgrenzen hinweg zeigt deutlich, dass Atomenergie trotz aller ökologischen Risiken und Warnungen von Experten nach wie vor als wichtige Energiequelle angesehen wird, um die CO2-Emissionen zu reduzieren und die Energiewende zu meistern. So unterzeichneten am Rande der Weltklimakonferenz 2023 insgesamt 22 Nationen eine Deklaration, in der sie bekundeten, die Erzeugung von Kernenergie bis 2050 gegenüber dem Jahr 2020 verdreifachen zu wollen. Frankreich plant sogar den Neubau von insgesamt 14 Kernkraftwerken. Macht das Sinn?
Überwiegen die Vorteile von Atomenergie die Nachteile aus ökologischer Sicht?
Bei der Produktion von Atomstrom entstehen keine klimaschädlichen CO2-Emissionen, das klingt auf den ersten Blick positiv. Und auch die Versorgungssicherheit ist gewährleistet, da Atomstrom unabhängig von Witterungsbedingungen erzeugt werden kann. Weitere Argumente für Atomkraft sind ein geringerer Flächenbedarf und die hohe Energieausbeute. Doch kann das Endlager-Problem in dieser Diskussion einfach ignoriert werden? Und was ist mit möglichen Risiken durch Störungen, Umweltkatastrophen oder kriegerische Handlungen, wie wir sie zuletzt in der Ukraine gesehen haben? Ein Atomunfall hat langfristige und schwerwiegende Folgen für die Gesundheit, die Umwelt und die Wirtschaft.
Ein weiteres starkes Argument gegen Atomkraft, das perspektivisch sogar immer relevanter wird, liegt in der Klimakrise selbst. Der Klimawandel sorgt für hohe Luft- und Wassertemperaturen und führt neben Starkregen auch zu ausgeprägten Dürren. Aufgrund von aufgeheizten Flüssen durch hohe Temperaturen im Sommer müssen zum Beispiel in Frankreich immer wieder Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Es ist keine ausreichende Kühlung gewährleistet. Des Weiteren sind Flusspegelstände während einer Dürre zu niedrig, um ein Akw zu kühlen.
Nach unserer Einschätzung überwiegen die ökologischen Nachteile eindeutig und sprechen so gegen einen weltweiten Ausbau der Atomenergie. Doch wie sieht das Thema aus ökonomischer Sicht aus?
Ist Atomenergie denn ökonomisch sinnvoll?
Neben der Reduzierung der CO2-Emissionen – die nebenbei bemerkt auch durch den Ausbau erneuerbarer Energien erzielt wird – gibt es keine schlüssigen ökologischen Argumente zum Ausbau der Atomenergie. Dann muss Atomenergie doch zumindest aus wirtschaftlicher Sicht von Vorteil sein, oder? Erstaunlicherweise ist auch das nicht der Fall, wenn man der Mehrheit führender Experten für Energieforschung glaubt – zumindest, wenn es um den Neubau von Kernkraftwerken geht. Die Investitionskosten für Neubauten sind hoch, wodurch neue Kernkraftwerke unrentabel sind. Außerdem dauern solche Bauvorhaben viele Jahre. Der neue finnische Reaktor wurde mit 14 Jahren Verzögerung fertiggestellt. Die Baukosten stiegen auf das Vierfache der ursprünglich geplanten Summe – auf elf Milliarden Euro.
„Ein signifikanter Ausbau der Kernenergie könnte wohl nur durch eine enorme Investitionsförderung angestoßen werden, was gleichzeitig die Investitionssicherheit für den Ausbau anderer Erzeugungstechnologien erdrutschartig beeinflussen würde“, so Martin Weibelzahl, Professor für digitale Energiemärkte an der Universität Oldenburg. (Vgl. Mehr Atomkraft in EU: Vernunft oder Irrsinn?)
Unser Fazit
Klimaschutz ist ein Thema mit weltweiten Auswirkungen. Einzelne Handlungen haben Auswirkungen auf viele. Das bedeutet auch wir könnten die schweren Folgen von möglichen Atomunfällen in unseren Nachbarländern zu spüren bekommen – die Umwelt wird es auf jeden Fall spüren.
Trotz aller Warnungen aus Forschung und Wissenschaft erwartet die Internationale Energieagentur (IEA) einen Anstieg des weltweiten Anteils der Kernenergie auf etwa 20 Prozent bis 2050. Das entspricht einer Verdopplung zum aktuellen Stand. Da auch seit der Reform des europäischen Strommarktes in der EU weiterhin staatliche Subventionen für Atomenergie erlaubt sind – und nicht wie unter anderem von der Bundesregierung gefordert, ausschließlich erneuerbare Energien subventioniert werden dürfen – steht dem Ausbau von Atomenergie in Europa und der Welt nichts im Wege. Warum ein Ausbau der Atomenergie einem Ausbau von erneuerbaren Energien vorzuziehen ist, erklärt sich für uns leider nicht. Über die Gründe, die Befürworter von Atomenergie bewegen, können wir daher nur spekulieren. Hoffen wir mal, dass es nicht rein ideologische Gründe sind.
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