Strommarkt

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Strommarkt

Definition: ein Markt für elektrische Energie

Englisch: electricity market

Kategorien: elektrische Energie, Energiepolitik, Grundbegriffe

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta

Ursprüngliche Erstellung: 19.03.2013; letzte Änderung: 28.04.2020

Ein Strommarkt ist ein Markt für elektrische Energie, also ein besonders wichtiger Energiemarkt. Dort werden Energiemengen, die in Kraftwerken ggf. erzeugt werden können, im Voraus an Unternehmen verkauft, die sie entweder selbst verbrauchen oder an ihre Kunden weiterleiten. Daraus, dass diverse technische Verhältnisse bei Stromlieferungen deutlich anders sind als z. B. bei Erdgaslieferungen, ergeben sich auch entsprechende Unterschiede zwischen den jeweiligen Energiemärkten. Dies betrifft insbesondere den Umstand, dass Speicher für elektrische Energie anders als solche für Erdgas nur in sehr begrenztem Umfang verfügbar sind, so dass die Erzeugung weitestgehend den zeitlichen Schwankungen des Stromverbrauchs folgen muss.

Es gibt ganz unterschiedliche Marktdesigns für den Handel mit elektrischer Energie. Dieser Artikel konzentriert sich auf die aktuellen Verhältnisse in Mitteleuropa.

Der Stromhandel kann von der Energiepolitik auf unterschiedliche Weisen organisiert sein, d. h. es gibt sehr unterschiedliche Marktdesigns, die aus mehr oder weniger komplizierten ökonomischen Überlegungen und Erfahrungen resultieren. In diesem Artikel werden die Verhältnisse auf dem deutschen und europäischen Strommarkt beschrieben, wie sie seit der begonnenen Liberalisierung der Märkte herrschen. Sie unterscheiden sich deutlich von denen eines monopolistischen Markts, wie er im 20. Jahrhundert noch bestand. Damals lag die Erzeugung, Verteilung und Vermarktung der elektrischen Energie vielerorts noch in einer Hand, und die Abnehmer hatten in der Regel keine Möglichkeit, einen bestimmten Anbieter zu wählen.

Dieser Artikel behandelt die großen Strommärkte, nicht dagegen die Vermarktung elektrischer Energie durch die Energieversorgungsunternehmen (EVU) an die Endverbraucher. Es geht also im Kern darum, wie die EVU oder auch Zwischenhändler elektrische Energie einkaufen können. Für Kleinverbraucher als Endkunden stellen die Stromhandelspreise nur einen kleinen Teil des zu bezahlenden Stromtarifs dar.

Grundsätze des liberalisierten Strommarkts

Die Bereiche Stromerzeugung, Transport, Handel und Vertrieb weisen sehr unterschiedliche Charakteristika auf und müssen deswegen getrennt betrachtet werden:

Welche Teile des Strommarkts sind liberalisiert, welche bleiben Monopole, welche sind staatlich beaufsichtigt?

In einem freien Markt ergeben sich die Preise für die Stromerzeugung durch das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Dies wird in den folgenden Abschnitten detailliert beschrieben.

Dagegen gibt es für den Transport elektrischer Energie normalerweise keinen Markt, da die dazu benötigen Stromnetze natürliche Monopole darstellen, in denen ein Wettbewerb kaum hergestellt werden kann. Der Bereich der Netze wird deswegen nicht als Markt organisiert, sondern staatlich reguliert – in Deutschland über die Bundesnetzagentur.

Im Bereich Handel und Vertrieb herrscht dann wieder ein Wettbewerb. Zwar sind die meisten Endkunden an jeweils einen Verteilungsnetzbetreiber gebunden. Dieser ist aber gesetzlich verpflichtet, elektrische Energie von beliebigen Anbietern durchzuleiten, und erhält hierfür Einnahmen, die durch Gesetze und Verordnungen geregelt sind. Der lokale Netzbetreiber kann also nur seine eigentliche Leistung, im Kern die Durchleitung von Energie, zu staatlich vorgegebenen Bedingungen verkaufen und darf die Bereiche Stromerzeugung und Vertrieb nicht beeinflussen bzw. behindern. Insbesondere können auch Kleinverbraucher relativ einfach einen Stromanbieterwechsel vornehmen, ohne dass ihr Netzbetreiber mitzureden hätte.

Die staatliche Aufsicht soll sicherstellen, dass die Märkte im Interesse der Volkswirtschaft arbeiten. Hierfür müssen sich auch die ohne Wettbewerb funktionierenden Bereiche sinnvoll in das Gesamtsystem einfügen.

Strombörse und außerbörslicher Stromhandel

Grundsätzlich führt der Stromhandel zu Lieferverträgen, die einen Lieferanten zur Einspeisung gewisser Energiemengen in das öffentliche Stromnetz verpflichten, während der Abnehmer dieselbe Menge gleichzeitig dem Netz entnimmt (oft anderen Stellen). Bei Kleinverbrauchern ist die Herstellung völliger Gleichzeitigkeit allerdings nicht praktikabel, und gleiches gilt für die vorherige Vereinbarung genauer Abnahmemengen. Hier wird also mit Schätzwerten gearbeitet, z. B. anhand von Standardlastprofilen, und nachträglich mit Hilfe der Ablesung der Stromzähler ein Ausgleich geschaffen.

Eine wichtige Einrichtung für den Stromhandel ist eine Strombörse. Sie stellt einen öffentlich zugänglichen Marktplatz für elektrische Energie dar, an dem nach gesetzlich vorgegebenen Regeln Stromhandel betrieben werden kann. Sowohl zwischen den Anbietern als auch den Nachfragern besteht dabei ein Wettbewerb, der dazu führt, dass die günstigsten Angebote berücksichtigt werden und dass die Nachfrager, die am meisten bieten, zuerst den Zuschlag bekommen. Es herrscht Transparenz: Die Teilnehmer haben Zugang zum gleichen Wissen über Angebot und Nachfrage. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Liquidität, die eine große Börse ermöglicht: Auch große Strommengen sind dort erhältlich, ohne dass ein Interessent verschiedene Anbieter direkt anfragen müsste. Die umsatzstärkste Strombörse Europas ist die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig [1], wo auch andere Energieprodukte gehandelt werden.

Auch heute laufen viele Geschäfte nicht an der Strombörse, sondern “über den Tresen”. Das hat bedenkliche Auswirkungen.

Bislang wird in Deutschland der größere Teil der elektrischen Energie aber nicht an der Börse gehandelt. Dieser “Over-the-Counter-Handel” (OTC-Handel, Handel “über den Tresen”) wird teils direkt zwischen Anbietern und Käufern durchgeführt, teils auch über spezielle Vermittler (Broker), und ist in der Regel nicht öffentlich einsehbar. Die dort zustande kommenden Preise orientieren sich zwar meist auch an den Börsenpreisen; die Börse hat diesbezüglich also eine Leitfunktion. Eine Problematik ist jedoch, dass das Börsenpreisniveau durch gezielte Käufe bei moderaten Handelsvolumina manipuliert werden kann, die dann entsprechend hohe Gewinne durch davon beeinflusste außerbörsliche Geschäfte ermöglichen. Solche Manipulationen sind oft schwer nachweisbar, scheinen aber durchaus nennenswerte unfaire Folgen zu haben. Begünstigt werden solche Missbräuche dadurch, dass die eigentumsrechtliche Entflechtung der früher vertikal integrierten Stromkonzerne noch unvollständig erfolgt ist; die EU-Kommission drängt hier seit Jahren auf weitere Fortschritte, stößt aber auf nationale Widerstände.

Die Teilnehmer an der Strombörse

Als Anbieter elektrischer Energie treten auf dem Strommarkt in erster Linie Unternehmen auf, die Kraftwerke betreiben. In Deutschland wird der Löwenanteil von nur vier großen Unternehmen produziert: von E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. Diese “Energieriesen” fungierten vor der Liberalisierung des Strommarkts als vertikal integrierte Monopolisten. In schnell wachsendem Umfang besteht jedoch auch ein Angebot von Strom aus erneuerbaren Energien, das zum größten Teil durch die Übertragungsnetzbetreiber aufgenommen und an die Strombörse gebracht wird (siehe unten). Hinzu kommen diverse kleinere Stromproduzenten, die ebenfalls mit erneuerbaren Energien, mit Kraft-Wärme-Kopplung oder mit anderen Technologien arbeiten und ihren Strom an der Börse direkt vermarkten, d. h. nicht über einen ÜNB.

Auf der Nachfrageseite stehen in erster Linie die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), die die Energie größtenteils an Verteilungsnetzbetreiber (VNB) und an andere ÜNB weitergeben, teils auch an einzelne Großverbraucher. Nur in geringem Umfang treten an der Strombörse kleinere Nachfrager auf, die direkt (anstatt über einen ÜNB) Strom einkaufen.

Im Day-ahead-Markt, Intraday-Handel und Terminmarkt gehandelte Produkte

Ein wesentlicher Teil des Börsenhandels mit Strom findet auf dem Day-ahead-Markt statt, einem Spotmarkt. Dies bedeutet, dass jeweils Stromlieferungen für den folgenden Tag (basierend auf aktuellen Verbrauchsprognosen) gehandelt werden. Die Stromerzeuger können also die Fahrpläne ihrer Kraftwerke für den nächsten Tag entsprechend planen.

Die im Day-ahead-Markt gehandelten Produkte umfassen unterschiedliche Zeiträume:

Welche Produkte werden an den Strombörsen gehandelt?

Für Grundlastbedarf gibt es 24-Stunden-Blöcke mit konstanter Leistung.

Ergänzend können Peakload-Blöcke (Spitzenlast) eingesetzt werden, um den erhöhten Bedarf für mehrere Stunden z. B. während des Tages zu decken.

Schließlich gibt es Einzelstundenkontrakte für eine noch feinere Anpassung an den schwankenden Bedarf.

Der Intraday-Handel findet täglich rund um die Uhr statt. Hier werden kurzfristig anfallende unvorhergesehene Überschüsse verkauft, um anderswo kurzfristige Engpässe auszugleichen. Bis zu 45 Minuten vor Lieferbeginn ist dies möglich. Mit diesem Instrument lässt sich der Bedarf für Regelenergie reduzieren, so dass sich Kosten sparen lassen.

Terminmärkte sind vor allem für die langfristige Basisversorgung gedacht. Dort können sich Käufer gegen kurzfristige Preisanstieg absichern – ggf. auch mit Derivaten.

Für längerfristige Geschäfte gibt es Terminmärkte, in Europa beispielsweise den EEX-Terminmarkt. Hier handelt man beispielsweise Strom-Futures für wesentlich später zu erfolgende Lieferungen – unter Umständen erst nach mehreren Jahren. Solche Lieferungen sind für längere Zeiträume gedacht, d. h. für die langfristige Basisversorgung als Bandlieferung, die dann ggf. durch weitere Grundlast und Spitzenlast im Day-ahead-Handel ergänzt wird. Auf diese Futures basierend werden auch Strom-Optionen gehandelt. Die Preise spiegeln längerfristige Erwartungen wieder, die z. B. die zukünftigen Preise von Energieträgern, CO2-Zertifikatspreise, energiepolitische Maßnahmen und verfügbare Kraftwerkskapazitäten betreffen.

Das Merit-Order-Verfahren im bestehenden Energy-only-Markt

Bisher werden am regulären Strommarkt z. B. in Deutschland nur Energielieferungen gehandelt, nicht dagegen Kapazitäten, d. h. lediglich die Bereitstellung von Anlagen für die Lieferung, falls dann ein Bedarf eintritt. Es handelt sich also um einen “Energy-only-Markt”. Die deutsche Strombörse arbeitet dabei nach dem Merit-Order-Verfahren:

Für bestimmte Zeitintervalle (z. B. eine bestimmte Stunde des folgenden Tages, oder auch volle 24 Stunden) werden die Angebote gesammelt, und ähnlich wird die Nachfrage in Form von Geboten aufgenommen. Jedes Angebot beinhaltet eine bestimmte Leistung und die Kosten pro Kilowattstunde (bzw. Megawattstunde). In einem Diagramm, in welchem die horizontale Achse die Leistung (Last) betrifft und die vertikale die spezifischen Kosten, kann jedes Angebot als ein Rechteck dargestellt werden, dessen Breite die Leistung und dessen Höhe die spezifischen Kosten zeigt. Die Fläche ist also proportional zu den gesamten Kosten.

Die Angebote werden nun nach aufsteigenden spezifischen Kosten sortiert. Graphisch dargestellt bedeutet dies, dass die genannten Rechtecke horizontal zusammengestellt werden, wobei die niedrigsten links stehen und nach rechts immer höhere kommen. Diese Reihenfolge der “Verdienste” (wirtschaftlichen Nützlichkeit) ist die Merit Order. Sie ist schematisch in Abbildung 1 gezeigt. Die treppenförmig ansteigende Angebotskurve, die entlang der oberen Seiten der Rechtecke verläuft, gibt in etwa die Grenzkosten als Funktion der zu erzeugenden Gesamtleistung an. Die Anbieter müssen sich nämlich, wie weiter unten erklärt wird, nicht an ihren Vollkosten orientieren, sondern an den Grenzkosten, d. h. daran, welche zusätzlichen Betriebskosten ihnen durch die Erzeugung gewisser zusätzlicher Strommengen entstehen würden. Bei nicht-nuklearen Wärmekraftwerken sind dies vor allem die Kosten für die Primärenergieträger und ggf. auch Kosten für CO2-Zertifikate.

Abbildung 1: Darstellung der Angebote für Stromlieferungen, sortiert nach spezifischen Kosten. Die Zahlen sind imaginäre Werte für ein Netz mit nur konventionellen Kraftwerken.

Wenn nun die Nachfrage ein fester Wert wäre, also keinerlei Preiselastizität aufwiese, würden einfach die günstigsten Angebote nach und nach berücksichtigt, bis die Nachfrage befriedigt wäre. Im Abbildung 1 würde also einfach eine senkrechte Linie bei der jeweiligen Nachfrage eingezeichnet, und alle Angebote links davon würden berücksichtigt.

Sowohl Angebot als auch Nachfrage hängen vom Preis ab – die Nachfrage aber meist weniger.

In Wirklichkeit gibt es aber eine gewisse (wenn auch kleinere) Preiselastizität auch bei der Nachfrage. Beispielsweise wird ein Industriebetrieb notfalls lieber auf eine Lieferung verzichten, als so viel dafür zu bezahlen, dass die damit durchgeführte Produktion dann Verluste erzeugen würde. Also muss die zu liefernde Menge erst noch festgelegt werden. Dazu sortiert man die Gebote ebenfalls nach Preisen, hier aber in der Reihenfolge abfallender Preise. Dies ergibt ein ähnliches Diagramm wie Abbildung 1, jedoch mit Rechtecken, die nach rechts immer weniger hoch werden. Die Linie entlang der oberen Seite dieser Rechtecke (die Nachfragekurve) zeigt die von den Nachfragern tolerierten Preise. Sie ist in Abbildung 2 als graue Treppenlinie eingezeichnet.

Abbildung 2: Darstellung der Angebote und der akzeptierten Preise aus den Geboten. Der Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve bestimmt über die gesamte Höhe der Lieferungen und den Börsenpreis.

Wo sich die Angebots- und Nachfragekurve schneiden, liegt die insgesamt zu liefernde Leistung. Diese ist in Abbildung 2 durch den gelben Kreis markiert. In diesem Beispiel würden also insgesamt 9,4 GW geliefert, und zwar zu einem Preis von 61 €/MWh. Berücksichtigt werden hier die Laufwasserkraftwerke, Kernkraftwerke, Braunkohlekraftwerke sowie ein Teil der Steinkohlekraftwerke und Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke. Die restlichen Kraftwerke werden nicht produzieren, da ihre Angebote zu hoch sind für die momentane Nachfrage. Der so gefundene Clearingpreis entspricht dem Meistausführungsprinzip: Er erlaubt die Ausführung von Handelsgeschäften mit dem größtmöglichen Umfang.

Der Börsenpreis gilt für alle Anbieter – auch für die mit den ursprünglich billigsten Angeboten! Führt dies nicht zu exzessiven Gewinnen?

Eine wichtige Regel ist, dass der so ermittelte Börsenstrompreis nun für alle Stromlieferungen im Zusammenhang mit dem jeweiligen Produkt (z. B. einem 24-Stunden-Block) gilt. Dies hat diverse Konsequenzen:

Die Stromerzeuger, die mit sehr niedrigen Grenzkosten arbeiten, erzielen hohe Deckungsbeiträge. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass sie exzessive Gewinne erwirtschaften, denn gerade sie müssen oft hohe Anfangsinvestitionen amortisieren. Nur wo z. B. mit bereits abgeschriebenen alten Wasserkraftwerken oder Kernkraftwerken gearbeitet wird, entstehen wirklich hohe Gewinne.

Die Stromanbieter haben in der Regel keinen Anreiz zum Pokern, d. h. zu Versuchen mit Angeboten, die weit über ihren Grenzkosten liegen. Den sich ergebenden Marktpreis könnten sie damit ohnehin kaum erhöhen (außer wenn ein sehr großer Anbieter den Markt dominiert). Eher würden sie damit ihre Chancen, am Ende berücksichtigt zu werden, gefährden. Deswegen werden nur moderate Gewinnmargen in die Angebote eingerechnet, aber man hofft natürlich auf einen möglichst hohen Börsenpreis deutlich über dem eigenen Angebot.

Entsprechend haben auch die Nachfrager keinen Anreiz, Gebote abzugeben, die für sie extreme Gewinne ermöglichen würden, denn auch sie würden damit den Marktpreis kaum verändern können, könnten dagegen leer ausgehen, d. h. am Ende nicht beliefert werden. Die Gebote müssen sich deswegen daran orientieren, was für die Nachfrager noch erträglich wäre. Dies hängt letztendlich davon ab, welcher Nutzen mit der bezogenen Energie geschaffen werden kann.

Des Weiteren ist es einfach zu erkennen, wie sich Veränderungen von Angebot und Nachfrage auswirken. Hierzu einige Beispiele:

Zumindest die kurzfristigen Auswirkungen der Änderungen von Angebot oder Nachfrage lassen sich über den Merit-Order-Effekt verstehen.

Wenn zusätzlich erneuerbare Energien billig auf den Markt kommen, die z. B. in Deutschland über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert werden (siehe unten), verschieben sich die Angebote konventioneller Stromerzeuger in den Diagrammen oben nach rechts. Das bedeutet, dass der Marktpreis tendenziell sinkt. Wegen der Preiselastizität der Nachfrage kann allerdings auch die insgesamt gelieferte Strommenge zunehmen (eventuell auf Kosten von Stromlieferungen zu anderen Zeiten, z. B. nachts).

Umgekehrt führen Nichtverfügbarkeiten von Kraftwerken (z. B. durch endgültige Außerbetriebnahme, Revisionen oder Störfälle) dazu, dass einzelne Angebote fehlen und die anderen in der Merit-Order nach links rutschen. Dann kann der Strompreis steigen und eventuell die gehandelte Strommenge abnehmen (zumindest zeitweise).

Wenn die Preise für Erdgas steigen, rutschen die Angebote von Gaskraftwerken nach rechts und die von Kohlekraftwerken weiter nach links. Es wird also Erdgas durch Kohle substituiert, was erhöhte CO2Emissionen zur Folge hat.

Wenn allerdings im Rahmen des CO2-Handels die Preise der CO2-Emissionszertifikate steigen, verteuert dies den Kohlestrom. Dann werden eher Gaskraftwerke zum Zuge kommen, und die CO2-Emissionen sinken.

Wenn die Residuallast reduziert wird, z. B. durch verbesserte Energieeffizienz oder durch vermehrte Einspeisung erneuerbaren Energien, führt dies zu einem Rückgang der konventionellen Stromerzeugung. Eine interessante Frage ist oft, welche Kraftwerke dies betrifft. Für die kurz- und mittelfristigen Effekte gibt hierüber die Merit-Order Auskunft: Kleine Änderungen des Verbrauchs betreffen immer diejenigen Kraftwerke, deren Angebote in der Nähe des Clearingpreises liegen. (Man nennt diese auch Grenzkraftwerke.) Häufig liegt der Börsenstrompreis in der Gegend der Gebote für Kohlekraftwerke und Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke, und dann wird genau deren Produktion dem Bedarf angepasst. Dagegen wird nicht etwa die Atomstromproduktion reduziert, weil die Kernkraftwerke ohnehin genügend niedrige Grenzkosten für Dauerbetrieb haben, und auch kaum der Einsatz von Spitzenlast-Gaskraftwerken. Letztere haben weniger Volllaststunden pro Jahr, weil sie zu den meisten Zeiten zu hohe Grenzkosten aufweisen, und sind von Verbrauchsreduktionen nur in entsprechend kürzeren Zeiten betroffen.

Vorsicht: Der Merit-Order-Effekt ist nicht alles – es gibt auch diverse Anpassungseffekte.

Man beachte allerdings, dass mittel- und langfristig vielfältige zusätzliche Anpassungseffekte auftreten, die die Auswirkungen von Veränderungen insgesamt wieder wesentlich verändern können. Der Strommarkt ist ein komplexes dynamisches System, welches mit anderen Systemen (Rohstoffe, Konjunktur, Politik, Emissionshandel, etc.) in vielfältiger Weise verbunden ist, was die Prognose von Entwicklungen schwierig macht.

Auch weitere Zusammenhänge, die sich aus dem Merit-Order-Verfahren ergeben, sind gut zu erkennen:

Die Stromerzeugung mit Spitzenlastkraftwerken erzielt im Mittel wesentlich höhere Einnahmen pro Kilowattstunde, weil sie gezielt zu Zeiten mit hohen Strompreisen erfolgt. Sie kann deswegen trotz einer geringen Zahl von Volllaststunden pro Jahr rentabel sein.

Wenn häufig Engpässe auftreten, die zu hohen Börsenstrompreisen führen, profitieren davon auch die Betreiber von Grundlastkraftwerken; sie erlösen dann ebenfalls mehr, ohne dass sie speziell zur Spitzenlastdeckung beitragen. Die zunehmenden Einspeisungen aus der Photovoltaik haben allerdings dazu geführt, dass die Mittagsspitze in der Residuallast häufig weitgehend entfällt, was die Rentabilität von konventionellen Kraftwerken aller Arten reduziert. Auch Pumpspeicherkraftwerke sind davon betroffen, obwohl ihre energiewirtschaftliche Bedeutung als Leistungsreserven etwa unverändert blieb.

Die Amortisation großer Investitionen am Strommarkt kann gefährdet sein, wenn der Markt oft zu Lieferungen mit Preisen nur knapp oberhalb der Grenzkosten zwingt.

Die Amortisierung hoher Investitionen durch Einkünfte vom Strommarkt kann schwierig sein. Es gibt nämlich die Problematik, dass der Wettbewerb am Strommarkt einen Stromerzeuger unter Umständen dazu zwingen kann, häufig zu Preisen zu liefern, die nur wenig über den Grenzkosten liegen. Zwar ist es für ihn dann immer noch günstiger, zu solchen Konditionen zu produzieren als gar nicht, jedoch kommen so nur geringe Deckungsbeiträge für die Investitionskosten zusammen. Diese Problematik ist ein häufiges Hemmnis für den Bau neuer Kraftwerke mit hohen spezifischen Investitionskosten, insbesondere von Kernkraftwerken. Auch früher konnten Kernkraftwerke nur dadurch wirtschaftlich betrieben werden, dass Kohle- und Gaskraftwerke via Merit-Order den Börsenpreis auf einem Niveau weit über ihren eigenen Grenzkosten hielten.

Generell können Änderungen von Erzeugungskosten, Angebot und Nachfrage einerseits den Börsenstrompreis ändern, andererseits aber auch die Gewinnmargen von Stromanbietern.

Einfluss begrenzter Netzkapazitäten

Beim Stromhandel werden die zur Verfügung stehenden Netzkapazitäten zunächst nicht beachtet; es werden die Stromerzeuger ausgewählt, die die niedrigsten Preise anbieten, unabhängig davon, wie weit ihr Standort von den Orten des Verbrauchs entfernt ist. Es kann dadurch vorkommen, dass große Strommengen über große Entfernungen transportiert werden müssten und die vorhandenen Netzkapazitäten hierfür nicht ausreichen. Diese Problematik müssen die Übertragungsnetzbetreiber rechtzeitig erkennen und in solchen Fällen so genannte Redispatch-Maßnahmen einleiten. Dies bedeutet, dass gewisse (eigentlich teurere) Kraftwerke, die näher bei den Verbrauchern liegen, verstärkt eingesetzt werden, und entferntere dafür weniger. Die dadurch entstehenden zusätzlichen Erzeugungskosten werden über die Netznutzungsentgelte den Verbrauchern belastet. Der Artikel über Redispatch enthält viele weitere Details.

Wenn in einem großen Versorgungsgebiet die Kraftwerke ungleich verteilt und die Übertragungsnetze allzu schwach ausgelegt sind, kann ein Redispatch sehr häufig notwendig werden. In diesem Falle muss man den Ausbau der Netzkapazitäten erwägen. Im Prinzip könnte auch das Versorgungsgebiet und der zugehörige Strommarkt aufgespalten werden, sodass von vornherein verbrauchernähere Kraftwerke vorgesehen werden. Dies führt allerdings nicht nur zu der Bildung unterschiedlicher Preiszonen, sondern zu insgesamt höheren Stromerzeugungskosten.

Stromaustausch mit dem Ausland

Der deutsche Strommarkt ist mit den Strommärkten von etlichen Nachbarstaaten gekoppelt. Der Stromhandel kann also im Prinzip beliebig grenzüberschreitend erfolgen. Allerdings sind die dafür nötigen Koppelkapazitäten an den Landesgrenzen bisher nicht allzu stark ausgebaut, was die übertragbaren Strommengen begrenzt.

Eine Folge des internationalen Stromaustausches ist, dass der insgesamt nötige Umfang der Kraftwerkskapazitäten deutlich geringer ausfällt. Dies ist einer der Gründe für das Bestehen deutlicher Überkapazitäten (zur Zeit von Dutzenden von Gigawatt). Zumindest wenn diese abgebaut werden, führt der internationale Stromhandel zu erheblichen volkswirtschaftlichen Kosteneinsparungen.

Staatliche Überwachung

Die Regeln für den Stromhandel an den Strombörsen und natürlich auch ihre Einhaltung müssen staatlich überwacht werden. In Europa geschieht dies und die Weiterentwicklung der Marktregeln zunehmend unter dem Einfluss der Europäischen Union. Längerfristig ist ein europäischer Energiebinnenmarkt das Ziel.

Ein freier Handel kann sehr effizient sein, aber die staatliche Überwachung ist unbedingt nötig zur Verhinderung schwerer Missbräuche, die Schäden in Milliardenhöhe zur Folge haben können.

Obwohl ein freier Markt ein sehr leistungsfähiges Instrument zur Realisierung volkswirtschaftlich nützlicher Geschäfte ist, gibt es auch die Gefahr von Missbräuchen, die große Schäden verursachen können. Viel Aufsehen hat z. B. der Enron-Skandal 2001 in den USA erregt; der Energiekonzern Enron hatte üble Marktmanipulationen begangen, um seine Gewinne zu steigern, und damit schwerwiegende Folgen wie massiv steigende Strompreise bis hin zu Stromausfällen in Kauf genommen. Hinzu kamen Bilanzmanipulationen in enormem Umfang. Die staatliche Aufsicht hatte als Folge zuvor gelockerter Bestimmungen völlig versagt, ebenso wie die Kontrolle durch namhafte Ratingagenturen.

Auch in Deutschland wurden bereits Vorwürfe von Strompreismanipulationen gegen große Energiekonzerne laut, die z. B. Verfahren der EU-Kommission auslösten. Oben wurde bereits erklärt, dass der große Umfang des außerbörslichen Handels das Problem verschärft, weil dies die Liquidität des Börsenmarkts reduziert. Nachdem sich der außerbörsliche Handel kaum verbieten lässt, wird nur eine weitere Entflechtung der Energiekonzerne dieses Problem lösen können.

Auf europäischer Ebene gilt seit 2011 die “Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts” (englisch REMIT = Regulation on wholesale Energy Market Integrity and Transparency). Es geht vor allem und die Unterbindung von Insiderhandel und Marktmanipulationen.

Behandlung erneuerbarer Energien

Wie kann erneuerbare Energie an der Strombörse gehandelt werden, obwohl ihre Erzeugungskosten doch meist viel höher sind als bei konventionellen Kraftwerken?

Erneuerbare Energie wird nur zum Teil von großen Produzenten gewonnen (meist in Form von Wasserkraft), immer mehr jedoch aus dezentralen Anlagen. Da die Teilnahme einer riesigen Zahl von kleinen Stromproduzenten an der Strombörse nicht praktikabel ist, erfolgt der Handel hier anders. Gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz wird in Deutschland der erzeugte Strom vom jeweiligen Verteilungsnetzbetreiber abgenommen und vergütet (nach der gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung) und an den Übertragungsnetzbetreiber weitergeleitet. Dieser vermarktet den Strom dann an der Strombörse. Dadurch, dass der Börsenpreis in aller Regel wesentlich tiefer liegt als die Einspeisevergütung, entsteht ihm ein Verlust, der durch die EEG-Umlage ausgeglichen wird: Diese Kosten werden auf die Stromverbraucher umgelegt (allerdings mit Befreiungen für Großverbraucher).

Ein kleiner Teil des EEG-Stroms wird auch im Rahmen der Direktvermarktung an die Börse gebracht, d. h. von den Prozenten selbst anstatt über ihren ÜNB. Dies ist nur für größere Produzenten praktikabel. Ihre direkte Marktteilnahme wird in Deutschland über das EEG gefördert, insbesondere mit der umstrittenen Managementprämie.

An der Börse wird der EEG-Strom zuerst zur Deckung der Nachfrage herangezogen; er muss auch bevorzugt abgenommen werden. Die Residuallast wird dann mit Hilfe konventioneller Kraftwerke abgedeckt (nur wenig mit Energiespeichern). Dadurch, dass die Residuallast an wind- oder sonnenreichen Tagen stark vermindert wird, führt das Merit-Order-Verfahren zu einem stark reduzierten Börsenpreis. Dieser kommt im Prinzip den Verbrauchern als teilweiser Ausgleich für die EEG-Umlage zugute, wobei allerdings diese Entlastung an Kleinverbraucher oft nicht weitergegeben wird. Großverbraucher dagegen profitieren voll und sind andererseits oft auch noch von der EEG-Umlage befreit.

Ökostrom wird anders als EEG-Strom behandelt. An der Strombörse wird nicht mit Ökostrom gehandelt, sondern nur mit Graustrom. Trotzdem können Endkunden Ökostrom beziehen, und ihr EVU stellt sicher, dass entsprechenden Mengen tatsächlich erzeugt und eingespeist werden (und zwar nicht als EEG-Strom).

Negative Börsenstrompreise

Wie kann man für die Abnahme von Energie auch noch bezahlt werden, anstatt selbst zahlen zu müssen?

Ein Kuriosum, freilich mit ärgerlichen Konsequenzen, ist das gelegentliche (aber bisher eher seltene) Auftreten von negativen Strompreisen an der Strombörse. Dies kann passieren, wenn einerseits aufgrund guter Wetterbedingungen ein hohes Angebot an erneuerbarer Energie zur Verfügung steht, andererseits aber z. B. aufgrund eines Feiertags der Strombedarf gering ist. Dann kann selbst bei Minimierung der Produktion der regelbaren Kraftwerke (die sonst für die Deckung der Residuallast zuständig sind) noch ein Überschuss entstehen, der nicht automatisch einfach verschwindet. An der Börse tritt dann ein negativer Strompreis auf, was bedeutet, dass ein Abnehmer für den Bezug von Strom sogar noch Geld bekommt. Die übrigen Stromverbraucher (soweit sie die EEG-Umlage tragen müssen) zahlen dann sogar doppelt: zunächst für die relativ teure Erzeugung von Strom, dann noch für seine (womöglich nutzlose) Verwertung.

Erschwerend wirkt in diesem Zusammenhang, dass die für die Deckung der Residuallast zuständigen Kraftwerke ihre Leistung nicht beliebig reduzieren können; eine gewisse Mindesterzeugung tritt auf. Deswegen gibt es einen gewissen Verbrauch an fossilen Energieträgern auch dann, wenn die erneuerbaren Energien an sich den gesamten Bedarf decken könnten. Mit einem flexibleren Kraftwerkspark könnte die Mindesterzeugung deutlich reduziert werden.

Eine notwendige Maßnahme im Fall solcher Stromüberschüsse ist oft die Abregelung auch eines Teils der Kraftwerke für erneuerbare Energie in solchen Situationen, trotz der an sich bevorzugten Einspeisung. Einspeisungen, die über den verwertbaren Bedarf hinausgehen, sind nämlich nicht nur nutzlos, sonder sogar schädlich. Besser als eine Abregelung wäre freilich die Weiterleitung in entferntere Regionen (etwa Stromexporte ins Ausland), was allerdings entsprechend ausgebaute Stromnetze voraussetzt, oder die Zwischenspeicherung in einem Energiespeicher.

Bisher ist das Phänomen negativer Börsenstrompreise zu selten, als dass es volkswirtschaftlich gesehen ein echtes Problem sein könnte. In 2011 gab es dieses Phänomen in Deutschland (EEX-/EPEX-Day-ahead-Auktion) nur während 0,2 % aller Stunden, in 2013 bereits während 0,7 % der Stunden. In der Zukunft wird dieses Problem erhebliche finanzielle Verluste verursachen, wenn nicht geeignete Maßnahmen ergriffen werden, beispielsweise eine deutliche Flexibilisierung des Kraftwerksparks.

Begrenzungen des Stromhandels durch die Kapazitäten der Stromnetze

Mehr Stromhandel setzt stärkere Netze voraus.

Die Kapazitäten der vorhandenen Stromnetze setzen natürliche Grenzen für den Umfang, in dem elektrische Energie physisch transportiert werden kann. Insbesondere gibt es zwischen den Netzen verschiedener Staaten z. B. in Europa nur recht begrenzte Kuppelkapazitäten; es kann dort also in jedem Moment nur der kleinere Teil der insgesamt umgesetzten Energiemengen übertragen werden. Deswegen werden zunächst separate Märkte für die verschiedenen europäischen Länder betrieben, und innerhalb der Länder kann es mehrere Regelzonen geben (mit zugehörigen Übertragungsnetzbetreibern), für die zunächst separat gehandelt wird. Zusätzlich sind aber Mechanismen für die Marktkopplung installiert, die auch den internationalen Stromaustausch im Rahmen der verfügbaren Kuppelkapazitäten ermöglichen. Auch hier werden die Preise von Kapazitäten über einen marktbasierten Preisfindungsmechanismus festgelegt.

Ein gesamteuropäischer Großmarkt für elektrische Energie – nicht einfach zu installieren, aber auch für erneuerbare Energien eine interessante Perspektive.

Die Ausweitung des Stromhandels innerhalb eines europäischen Energiebinnenmarkts wird einerseits durch den Ausbau der Stromnetze und Kuppelkapazitäten begrenzt, andererseits durch die Schwierigkeiten einer EU-weit abgestimmten Detailregelung einer technisch und ökonomisch recht komplexen Thematik. Auf der technischen Seite könnte ein zukünftiges europäisches Supergrid eine enorme Ausweitung des Stromhandels ermöglichen. In diesem Zusammenhang könnten auch große Mengen erneuerbarer Energie, die sehr kostengünstig z. B. von Windkraftanlagen und Solarkraftwerken in Südeuropa und Nordafrika produziert werden könnten, eine gesamteuropäische Energiewende sehr beflügeln. Ebenfalls würden große Speicher für elektrische Energie, die z. B. in Norwegen bereits bestehen, für ganz Europa nutzbar gemacht.

Problem der Versorgungssicherheit; Kapazitätsmärkte

In Energy-only-Märkten wie oben beschrieben wurde in der Vergangenheit eine sehr hohe Versorgungssicherheit erreicht. Zwei Entwicklungen führen aber dazu, dass sich dies allmählich ändert:

Ein starker Kostendruck kann die Versorgungssicherheit langfristig gefährden.

In dem früheren monopolistischen System war der Preisdruck für die integrierten Energieversorgungsunternehmen sehr moderat. Sie hatten keine Probleme, auch nur langfristig wirtschaftliche Investitionen zu tätigen, um stets über ausreichende Kraftwerks– und Stromnetzkapazitäten zu verfügen. Mehrkosten konnten ggf. an die Verbraucher weitergegeben werden. Die Liberalisierung des Strommarkts hat inzwischen aber zu einem stärkeren Wettbewerb und damit zu einem starken Preisdruck geführt, der noch weiter zunehmen dürfte. Deswegen werden Investitionen nicht mehr so leicht vorgenommen, und es kann zu einem Investitionsstau kommen, der längerfristig die Versorgungssicherheit gefährdet.

In einem Energy-only-Markt lohnt sich das Vorhalten von Reserven für den Betreiber nicht, wenn diese nur eher selten abgerufen werden.

Verschärft wird das Problem durch den zunehmenden Anteil fluktuierender (schwankender) Einspeisungen von Windenergie und Photovoltaik. Dies vermindert einerseits in erheblichem Umfang die Stromerzeugung in konventionellen Kraftwerken, was ja auch das Ziel der Förderung ist: So werden CO2Emissionen wie auch andere Umweltbelastungen vermindert, und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wird ebenfalls gemildert. In der Folge ist der Betrieb konventioneller Kraftwerke bereits erheblich weniger wirtschaftlich geworden. (Deswegen sind in den letzten Jahren auch viele Kraftwerksprojekte aufgegeben oder auf Eis gelegt worden.) Andererseits werden aber die benötigten Kapazitäten konventioneller Kraftwerke nur wenig reduziert, da es Zeiten gibt, in denen nur wenig Wind- und Solarstrom zur Verfügung stehen. Wenn solche Kapazitäten aber unwirtschaftlich werden, werden sie wohl nicht auf Dauer bestehen bleiben.

Im Prinzip kann auch ein reiner Energy-only-Markt die Bereithaltung von Reservekapazitäten honorieren – aber nur dadurch, dass diese in Zeiten mit Engpässen hohe Gewinne einfahren können. Bei Engpässen steigt nämlich der Strompreis an der Strombörse stark an. Allerdings profitieren von diesem Effekt dann alle Stromerzeuger (nicht nur die mit hohen Reservekapazitäten), und zumindest für eher selten auftretende Engpässe, die zudem in ihrer Häufigkeit schwer vorhersehbar sind, kann der finanzielle Anreiz für ausreichende Kapazitäten zu gering sein. Wohlgemerkt ist dies ein grundsätzliches Problem von liberalisierten Energy-only-Märkten, welches sich aus dem (sonst durchaus nützlichen) Wettbewerb ergibt. Durch die erneuerbaren Energien wird das Problem aber weiter verschärft.

Wäre ein Kapazitätsmarkt vielleicht die Lösung?

Es scheint also notwendig zu sein, mittelfristig Anpassungen des Systems vorzunehmen, um die Versorgungssicherheit auch weiterhin zu gewährleisten. Als ein möglicher Ansatz werden Kapazitätsmärkte diskutiert, in denen die Vorhaltung von Kapazitäten gehandelt würde. Verdienen könnte ein Anbieter also nicht nur durch tatsächliche Stromlieferungen, sondern allein schon für die zugesicherte Bereithaltung von Kraftwerken für den Fall eines plötzlichen zusätzlichen Bedarfs, z. B. durch erhöhten Verbrauch oder durch Ausfälle von Anlagen. Dies erinnert an den bereits bestehenden Markt für Regelenergie (siehe unten), würde aber deutlich darüber hinausgehen. Auch die Kaltreserve könnte daran teilnehmen. Es ginge nicht nur um die Ausregelung kurzfristiger Schwankungen, sondern auch um längerfristige Einsätze, wie z. B. den Ausgleich des ungeplanten Ausfalls von Großkraftwerken für mehrere Monate.

Eine Schwierigkeit von solchen Anpassungen des Strommarktdesigns besteht darin, dass grundsätzlich ein international abgestimmtes Vorgehen nötig ist. Es wäre z. B. problematisch, wenn Deutschland unkoordiniert einen eigenen Kapazitätsmarkt aufbauen würde. Es ist also ein komplizierter und langwieriger Abstimmungsprozess notwendig, in dem viele Interessen miteinander vereinbart werden müssen.

Regelenergie

Auch Regelenergie wird gehandelt – aber nicht an der regulären Strombörse.

Auch für Regelenergie, die für den Ausgleich unvorhergesehener kurzfristiger Schwankungen benötigt wird, besteht ein Markt. Regelenergie wird aber nicht an der regulären Strombörse gehandelt, sondern in einem separaten Regelenergiemarkt, der ebenfalls von der Bundesnetzagentur überwacht wird und nach anderen Regeln funktioniert. Für die Primär- und Sekundärregelung gibt es zur Zeit wöchentliche Ausschreibungen, die von den Übertragungsnetzbetreibern gemeinsam organisiert werden [2]. Hier können Anbieter, deren technische Einheiten eine entsprechende Präqualifikation durchlaufen haben und die einen Rahmenvertrag abgeschlossen haben, ihre Angebote einreichen. Der jeweilige ÜNB wählt daraus die günstigsten Angebote aus, um den Regelenergiebedarf seiner Regelzone zu decken. Für die Tertiärregelung gibt es tägliche Ausschreibungen. Die Preise werden hier meist nicht nach dem Merit-Order-Verfahren festgelegt, sondern nach dem Prinzip “pay as bid”, d. h. sie entsprechen den Angeboten der Erzeuger.